11.01.2006 | VauWeh

Wenn es mal so weit ist, dass man bei einem Bus Oel tankt und Benzin nachfuellt, dann sollte einem das zu denken geben. Aber lassen wir den Bus selbst erzaehlen:

Eben noch umgeben von einer wild gestikulierenden Ansammlung an Maennern, stehe ich nun auf der Ladeflaeche eines Klein-Lastwagens, umgeben von vier Eisenwaenden, festgezurrt wie ein Rollbraten, regungslos. Die Rueckspiegel hat man mir abmontiert, Luft aus meinen Reifen gelassen. Das Verladen war eine harte Prozedur, ein Martyrium fuer alle Beteiligten, besonders fuer mich. Ueber eine Boeschung, die als Rampe diente, schoben mich unzaehlige freiwillige Helfer auf die Ladeflaeche des LKWs, der mein Krankenwagen zur VW-Werkstatt Nairobi werden sollte.

Aus eigener Kraft haette ich die 180 Kilometer von Nyahururu nach Nairobi nicht mehr geschafft, ich war kraftlos, meine Zylinder streikten bei jeder kleinsten Steigung.

Eigentlich begann alles schon in Karthoum (Sudan). Ich entwickelte eine vorerst noch heimliche Leidenschaft fuer Kolbenringe, an denen ich dann und wann ein bisschen knabberte, da sie so gut schmeckten. So kam es auch, dass ich ein bisschen mehr Oel trank als sonst, und schnell entdeckte Rupert mein kleines Geheimnis. Er brachte mich sofort in eine Werkstatt, in der ich prompt neue Kolbenringe bekam. Ich nahm mir fest vor, der Versuchung zu widerstehen und nicht mehr von den neuen Kolbenringen zu naschen, aber ich schaffte es nicht. Sie schmeckten einfach zu gut. So kam es, dass ich in Addis Abeba wieder in einer Werkstatt landete, in der mein Motor abermals mit neuen Kolbenringen bestueckt wurde. Diesmal sollte es keinen Rueckfall mehr geben, das nahm ich mir ganz fest vor und schnupperte wehmuetig an einem Kolbenring, der verlockend gut roch. Aber ich blieb hart. Hart wie die Strasse durch den Nechisar-Nationalpark in Arba Minch. Eine Strasse, die eigentlich nur mit 4x4-Fahrzeugen befahrbar ist, die ich aber meisterhaft und steinbockgleich hochkletterte bis zu dem Punkt, an dem ich wippend einen Stein touchierte und ein riesiges Oellackerl machte. Und wieder war die Oelfilterhalterung auseinandergebrochen, die bereits in Golling Schuld an unserer verspaeteten Abreise gewesen war. Ich hatte Glueck und Rupert konnte das Aluminium-Teil in einer technischen Schule schweissen lassen und mich aus meiner misslichen Lage befreien.

In Arba Minch wurde ich dann - aus Mangel an Tankstellen auf der folgenden Strecke - mit einem Benzin-Reservekanister der Superlative bestueckt: ein handelsuebliches 200 Liter Shell-Oelfass. Ich kam mir vor wie ein grosser Tanklastwagen und kutschierte stolz das gelb-rot von meinem Dach leuchtende Fass herum.

Die Strecke von Aethiopien nach Kenia ueber Turmi am Lake Turkana entlang entpuppte sich als harte Probe fuer mich. Tiefe Sandpassagen und steile Geroellhuegel wechselten sich ab. Oft schaffte ich es nur mit Hilfe von Johns bzw. Eriks Landrover, die uns auf diesem Weg begleiteten.

In dieser sehr schwierigen Zeit passierte es dann auch: Ich hatte einen Rueckfall. Diese verdammten Kolbenringe schmeckten einfach zu lecker. Anfangs konnte ich es noch gut verbergen, doch der blaue Rauch aus dem Auspuff und der stetig steigende Oelverbrauch enttarnten meine Schandtat bald.

Dazu kam, dass meine Batterie dann und wann nach faulen Eiern roch, da sie ueberlud. Ich war also nicht nur lahm, ich stank auch noch wie ein kenianisches Warzenschwein. Eine Katastrophe. Ich sehnte mich nach einer Werkstatt, nach liebkosenden Mechanikerhaenden, doch weit und breit nur Sand. Mit letzter Kraft tuckerte ich nach Loyangalani, einem kleinen Dorf am Lake Turkana. In meiner Verzweiflung liess ich es sogar zu, dass der Dorfmechaniker an mir herumbastelte. Nur soviel: er trug einen Rock und Flip-Flops. Der Mann schien jedoch etwas von seinem Handwerk zu verstehen und konnte mich voruebergehend wieder ganz gut aufpaeppeln. Lena und die Kinder konnte ich allerdings in meinem labilen Gesundheitszustand nicht mehr mitnehmen. Sie fuhren sicher in Johns Landrover nach Maralal und warteten dort auf mich und Rupert.

Wenn es eine Hoelle fuer VW-Busse gibt, dann stelle ich sie mir so vor wie diese Strecke. Jedem Berg folgte wieder ein Berg und aus lauter Frust fing ich an, soviel Oel zu trinken wie nie zu vor. Wahrhaftig, ich soff wie ein Loch. So kam es dann auch, dass meine Zuendkerzen oelverschmiert wurden und staendig gereinigt bzw. ausgetauscht werden mussten. Rupert wechselte daher meine Zuendkerzen oefter als seine Socken. Mit Hilfe von Maennern, die mich schoben und mit viel Glueck schaffte ich es schliesslich doch noch nach Maralal zu Lena und den Kindern. Ich war jedoch am Ende. Auf der Fahrt im Schneckentempo nach Nyanhururu blieb ich einige Male vor Erschoepfung stehen und knabberte frustriert an einem Kolbenring. Ich wollte und konnte einige Male auch nicht mehr anspringen und schliesslich musste ich sogar abgeschleppt werden.

Und jetzt, jetzt fahre ich also nach Nairobi. Also, ich werde gefahren, sagen wir so. Und wenn meine Gebete erhoert werden, dann bin ich in ein paar Tagen wieder fit und bereit fuer den letzten Teil der Reise. Und meine neuen Kolbenringe esse ich nicht gleich wieder auf.

Versprochen.

 

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